Hinter mir bringt eine Siebträgermaschine weiteren viel zu heißen Kaffee auf die Welt.
Es ist warm und trotz dem leichten Wind zu warm für so heißen Kaffee. Ich trinke einen
Schluck von meiner Fehlbestellung und schaue auf die Buckets-Hats und fake Versace
Brillen welche die drei Personen gegenüber maskieren. Ihre Originelle Kriegsbemalung
durch Surfsonnencreme rundet das Bild ab.
Ein Hund streicht meine Füße und seine Augen meinen Keks. Sicherheitshalber rücke ich
diesen mehr in Richtung Tischmitte. „Ma weis ja nie“ meckert mein innerer deutscher Opa.

25 grad im Februar - ein Mittwoch in Marokko.

Nachdem ein Bus mich nicht mitnehmen wollte und der danach für eine Stunde nicht kam,
haben mich meine trust issues also in einem Taxi nach Tagazhout transportiert. Eine
überkäsige Pizza und einen gewechselten Analogfilm später sitze ich neben Mister Moon
auf himmelblauen unförmigen Treppen. Neben mir dampft ein marokkanischer Minztee.
Das mit den Heisgetränken erschließt sich mir immer noch nicht. Man sagt ja das kühlt von
innen denke ich und meine verbrannte Lippe erhebt Einspruch.

Mr Moon und ich haben uns schonmal gesehen. Als ich einen Korb vom Bus bekommen
habe, ist er, weitaus schlauer als ich in ein haltendes Taxi gestiegen. Zwei Stunden später
laufe ich am höchsten Punkt Tagazhouts neben Ziegen hin und her. Abgesehen von den
kontextlosen pupsähnlichen Geräuschen der Ziegen herrscht hier Stille. Auf einer Holzkiste
sitzend verfolgt mein Blick einen weiteren digital Nomad Van die Straße zur Küste runter
fahren. Als meiner Aufmerksamkeitsspanne das zu lange dauert mache ich ein Bild von der
Aussicht, versuche sie zu verinnerlichen und laufe weiter.

Vor mir erstrecken sich steile blaue Treppen. Auf der Hälfte meines Abstiegs bringt mich
eine raue Stimme zum Stehen. „Hey I saw you in Tamraght today. I’m Mister Moon“
Er ist ziemlich klein und trägt die gleiche fake Versace Sonnenbrille wie die drei aus dem
Café. Seine Surfkette baumelt zufrieden von links nach rechts. Ein zutrauliches Lächeln
breitet sich auf Mister Moon Gesicht aus.

Unbegründet versuche ich das Gespräch zu beenden. Er spürt mein Misstrauen und bietet
mir einen Tee auf den Stufen vor seinem Haus an. „You like morocco?“ Ich nicke, er auch
nur zufriedener. „It’s the most beautiful place on the whole earth“ Das whole wird mit einer
allumfassenden Geste passend untermalt.

Er ist in Tagazhout geboren und aufgewachsen, Marokko kenne er wie seine Westen
Tasche. Jeden Morgen seit 25 Jahren gehe er surfen bevor die anderen den Strand
besiedeln. Er fragt mich, ob ich Jimi Hendrix kenne. Natürlich entgegne ich. Ich bin mit
„alter“ Musik aufgewachsen und ein Teil von mir fühlt sich zu schnell zu gekränkt, wenn mir
musikalisches Unwissen unterstellt wird. Jimi Hendrix soll Essaouria geliebt haben, meint
er. Diabat soll seine Inspiration von Castle in The Sand gewesen sein. Wir unterhalten uns
über Musik und Weltfrieden. Wir sollten alle mehr Tee zusammen trinken denke ich.
Unvermittelt stimmt Mister Moon One World an. Mit feuchten Augen schaukeln wir zu
unseren eigenen Stimmen.

Ein kleines Mädchen und ein noch kleinerer Junge stolpern die unförmigen Treppen nach
oben. Beide Schauen mich so schüchtern wie interessiert an. Ich lächle und winke.
Mister Moon verschwindet kurz in seiner Wohnung und überreicht dem braunhaarigen
Mädchen eine Tüte mit Lebensmitteln. Flinkes arabisch verlässt seine Lippen. Die kleine
schenkt mir ein noch größeres lächeln und hüpft mir entgegen. Auf einmal werde ich von ihr
umarmt. Bevor ich es realisiere, steht sie wieder neben ihrem Bruder und winkt mir bevor
beide um die Ecke verschwinden.
Mir war nicht klar, wie sehr ich diese Umarmung gebraucht habe. Mister Moon sieht mir das
an und schaut ihnen nach. „They are my children“ er unterbricht sich. „Well not my
children but they are also you’re children you know “. Er hat Recht. Ich wusste bis jetzt
auch noch nichts von meiner Familie am anderen Ende der Welt.

Nachdem Mister Moon mir ausführlich die Schwierigkeiten des Fischfangens ohne Angel
dargelegt hat fragt er mich ob ich seine Telefonnummer haben möchte. Ich bejahe. Als ich
Ihn frage, ob er mir seinen Namen ins Handy tippen kann, erschließt sich mir, warum er nur
von der Schule des Lebens spricht und jede meiner Fragen bezüglich Bildung gekonnt
umtanzt. Er ist Analphabet, seine deutsch, schwedisch und spanisch Kenntnisse haben
noch nie Papier berührt. Der Einfachheit halber solle ich doch Mister Moon schreiben.

Bevor wir uns verabschieden, bittet er mich noch einen Moment zu warten. Schnellen
Schrittes verschwindet er erneut in seiner Wohnung und steht eine Minute später vor mir
und nickt in Richtung meiner Hand. Grün orange ist es. Das Armband das nicht nur eine
Muschel, sondern ein Haufen Hoffnung und Verbundenheit umfasst, ruht nun um mein
rechtes Handgelenk.

Ich schaue auf und frage: „Mister Moon - just like the moon?“ Er nickt.
Wir schauen beide nach oben, in den gleichen Himmel.

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